Gegenstand des Kurses ist die Frage, welche Rolle Archiv, Bibliothek und Museum als Bewahranstalten für Quellen in einer jeden Gegenwart auf den Umgang mit der Vergangenheit haben. Grundlage ist die Definition von Quellen als Zeugnissen, die irgendwie aus der Vergangenheit in eine Gegenwart überkommen sind und deswegen möglicherweise Wissen über die Vergangenheit bereitstellen können. Zeugnisse müssen also bewahrt werden, damit sie Wissen über die Vergangenheit in eine Gegenwart transferieren können. Aber nicht alle Zeugnisse, die aus der Vergangenheit überkommen sind, werden zu Quellen. Wie und unter welchen Umständen werden Zeugnisse zu Quellen? Quellen können vorläufig als orale Traditionen, geschriebene Texte, Bilder oder Sachen kategorisiert werden und sind, je nach Typ, auf unterschiedliche Weise aufbewahrt.
Die Bewahranstalten haben ihre eigene Geschichte. Die Unterschiede in Typ der Anstalt und Modalität des Bewahrens prägt die Bedingungen der Erhaltung von Quellen. Deswegen sind Kenntnisse der Bewahranstalten wichtige Voraussetzung für dem Umgang mit Quellen.
Orale Traditionen müssen von Generation zu Generation weitergegeben werden, damit sie erhalten werden können. Diese Voraussetzung ist in Europa schon seit dem späteren Mittelalter nur noch selten und, sofern dies der Fall war, nur für wenige Genera (zum Beispiel möglicherweise manche Typen von Märchen) gegeben gewesen, in manchen anderen Kulturen ist die Fähigkeit zur Transmission oraler Traditionen, hauptsächlich in der Folge von Kolonialherrschaft, während des 20. Jahrhunderts erloschen. Deswegen sind orale Traditionen bis in das 20. Jahrhundert hinein nicht mit einer ihnen spezifischen Technik bewahrt worden (z. B. Tonband oder andere audielle Speicher). Sie haben sich in der Regel in Europa oder den anderen Kulturen, in denen die Transmissionsfähigkeit während des 20. Jahrhunderts erlosch, nur erhalten, nachdem sie in Schriftform niedergelegt wurden. Erst seit dem 20. Jahrhundert bestehen folglich spezielle Bewahranstalten für orale Traditionen.
Für schriftliche Quellen gelten seit der Antike Archiv und Bibliothek als die hauptsächlichen Bewahranstalten, die bis in das 19. Jahrhundert weder begrifflich noch institutionell streng getrennt waren. Erst seit dem 19. Jahrhundert bildet sich der Gegensatz von Archiv und Bibliothek heraus. Dabei entstand der Begriff des Archivs als Bewahranstalt für Schriftquellen, die in der Regel nur einmal vorliegen, mithin als Originale, und deswegen nur an einem einzigen Ort aufbewahrt werden (das schließt Mehrfachüberlieferung bestimmter Typen von Schriftgut in verschiedenen Archiven nicht aus; aber auch die mehrfach überlieferten Texte gelten in Archiven jeweils als Originale). Bibliotheken hingegen gelten als Bewahranstalten für mehrfach überliefertes Schriftgut (was wiederum nur einmal überlieferte Texte, zum Beispiel seltene Codices oder Briefe nicht ausschloss).
Für Bild- und Sachquellen gelten Museen als die hauptsächlichen Bewahranstalten (was die Aufbewahrung einzelner Bilder und verschiedener sonstiger Dinge in Archiven und Bibliotheken nicht ausschließt).
Diese drei Typen von Bewahranstalten haben nicht nur ihre eigenen Institutionsgeschichten, sondern es gab und gibt auch spezifische Geschichten der Theorien von Archiven, Bibliotheken und Museen. Der Kurs soll in beide Themenbereiche einführen. Dabei werden zunächst die soziokulturellen Grundlagen von Gedächtnis und Erinnerung hinterfragt und dann Archive, Bibliotheken und Museen nacheinander in ihren institutionellen und theoretischen Aspekten vorgestellt. Dabei liegt das Schwergewicht auf Archiven und Museen.
Zu Beginn des Sommersemesters wird alle Teilnehmenden ein umfangreicher Reader mit Materialien übersandt. Mit Beginn des Kurses folgt eine Serie von Studienbegleitbriefen in wöchentlichem Rhythmus, die Erläuterungen und ergänzende Informationen bieten. Einige diese Studienbegleitbriefe enthalten Quiz, die im Lauf der Veranstaltung gelöst werden. Diese Quiz sind unbenotet. |