„Nicht“ ist eine sprachliche Geste der Abgrenzung oder Zurückweisung. Wir sagen z.B.: „Nicht weitersprechen!“ oder „Mit mir nicht“! Was bedeuten demgegenüber die Nominalisierungen „Nichts“ und „Negativität“? Mit welchen sprachlichen und nicht-sprachlichen Praktiken sind sie verbunden und mit welchen auch nicht?
„Nichts“ und „Negativität“ stehen für wichtige und komplizierte Gedankenfiguren in der Geschichte des Denkens. Für die Auseinandersetzung mit diesen Figuren ist es unabdingbar, verschiedene Disziplinen der Philosophie miteinander ins Gespräch zu bringen („Nichts“ und „Negativität“ als Themen der Ontologie, der Logik und der Sozialphilosophie) wie auch verschiedene Methoden und Selbstverständnisse des Philosophierens (z.B. dialektische, existentialistische Beiträge) wie auch verschiedene geographische Orte des Philosophierens (Europa, Indien, Ostasien).
Die Geschichte des Nachdenkens über das Feld des Negativen beginnt in Europa mit einem Verbot: Der griechische Philosoph Parmenides von Elea behandelt das Thema in dem einzigen von ihm erhaltenen Fragment, seinem Lehrgedicht „Über die Natur“:
„Wohlan, so will ich denn verkünden (Du aber nimm mein Wort zu Ohren), welche Wege der Forschung allein denkbar sind: der eine Weg, daß (das Seiende) ist und daß es unmöglich nicht sein kann, das ist der Weg der Überzeugung (denn er folgt der Wahrheit), der andere aber, daß es nicht ist und daß dies Nichtsein notwendig sei, dieser Pfad ist (so künde ich Dir) gänzlich unerforschbar. Denn das Nichtseiende kannst Du weder erkennen (es ist ja unausführbar) noch aussprechen.“
Aus diesen Zeilen lässt sich die Handlungsanweisung entnehmen, sich nicht mit dem Nichtseienden zu befassen und alle Aufmerksamkeit stattdessen allein dem Seienden zukommen zu lassen. Es ist nämlich unmöglich, über das Nichtseiende zu sprechen, da im selben Moment, als man von diesem etwas aussagt, dessen Sein wieder vorausgesetzt.
Das Nachdenken über Nichts und Negativität gibt Anlass zu Streit und Kontroversen und hält einige Paradoxien bereit. |