Beschreibung
|
Das GRK 2477 untersucht Praxis-Dimensionen europäischer wie „außereuropäischer“ Künste, aber auch alltägliche ästhetische Praktiken jenseits Kunstwelt. Thematisiert wird, wie sich Kunstwerke und kulturelle Aufführungen als Manifestationen von Praktiken, etwa des Übens, Probens, Improvisierens, Performens, Skizzierens oder Entwerfens, verstehen lassen. Diese Praktiken werden darüber hinaus in ihrem jeweiligen ästhetischen Eigenwert betrachtet, der sich in vielen kulturellen Kontexten nicht darin erschöpft, ein Werk vorzubereiten. Wir zielen damit auf die Entwicklung einer postkolonialen Ästhetik, die Praktiken in den Blick nimmt, welche sich kritisch zu den leitenden Unterscheidungen und Kanonisierungen europäischer Ästhetiken verhalten. Ergänzt und grundiert werden die entsprechenden Studien durch tätigkeitstheoretische Untersuchungen zum Verhältnis von Handeln, Praxis und ästhetischer Praxis, die die aktuelle praxeologische Wende in den Geistes- und Sozialwissenschaften um ästhetische Perspektiven erweitern. Die transdisziplinäre Forschungsarchitektur wird in der zweiten Förderphase von drei inhaltlichen Säulen getragen: (1) Im Zuge der Analysen konkreter ästhetischer Praktiken richten wir den Fokus auf das Potenzial dieser Praktiken, aus dem mit ihnen verbundenen Vollzugssinn Orientierungen für Kritik, etwa an verdinglichten Praxis- und Lebensformen, zu generieren. Wir untersuchen also kritische ästhetische Praktiken bzw. thematisieren mögliche ästhetische Artikulationsformen von Kritik. (2) Wir nutzen die Erforschung von „außereuropäischen“ ästhetischen Praktiken, die sich den impliziten Normen des europäischen Systems der Künste entziehen, sowie korrespondierender Traditionen ihrer Theoretisierung für eine Dekolonisierung ästhetischer Grundbegriffe und Methoden. Diese Dekolonisierung erfolgt nicht nur über eine Selbstkritik der europäischen philosophischen Ästhetik, sondern nimmt eine dekoloniale Kritik auf, die heute weltweit aus unterschiedlichen Richtungen artikuliert wird. (3) Auf einer methodologischen Ebene untersuchen wir, wie sich (ästhetische) Praxis als Praxis adäquat beschreiben lässt. Wir etablieren eine Deskriptologie der Praxis, die insbesondere der Zeitlichkeit, Prozessualität und dem transformativen Potenzial von Praktiken Rechnung trägt. Die Forschungsinteressen werden auf einer konzeptuell-theoretischen und einer empirisch-kulturwissenschaftlichen Ebene verfolgt, die eng miteinander verschränkt sind. Dabei betrachten wir ästhetische Praxis nicht nur als Gegenstand, sondern auch als mögliche Methode einer Forschung, die die Perspektiven des praktischen Vollzugs sowie der sich an diesen Vollzug bindenden Wissensformen methodisch erschließt. Das eng an die entsprechende Forschung anknüpfende Qualifizierungsprogramm befördert die wissenschaftliche Güte der Qualifikationsarbeiten ebenso wie die überfachliche Aus- und Weiterbildung sowie, damit einhergehend, die Karriereperspektiven der Doktorand:innen und Postdocs.
|