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Die Geschichtswissenschaft untersucht Erfahrungen und Wahrnehmungen mit Bezug auf Vergangenheit. Geschichtswissenschaft ist der Versuch, sich theoretisch reflektiert in der Zeit zurecht zu finden und Vergangenheit an Gegenwart anzubinden. Seit mehr als 200 Jahren hat in der europäischen Geschichtswissenschaft die Erfahrung vorgeherrscht, dass Vergangenheit eine abgetrennte, fremde Zeitdimension sei und mit beträchtlichem intellektuellem Aufwand an Gegenwart angebunden werden müsse. Ebenso lange ist die Geschichtswissenschaft von der Wahrnehmung geprägt worden, dass Wandel oft und notwendig ein Prozess grundlegender Veränderungen in allen Bereichen des Lebens sei, also zu tiefen Umbrüchen führe und Vergangenheit als Abfolge der durch solche Umbrüche determinierten Epochen gliedere. Die Lehrveranstaltung soll diese Aussagen hinterfragen, dadurch zugleich Gegenstände der Geschichtswissenschaft kontextualisieren und deren Grundlagen ausleuchten: Gelten der europäischen Geschichtswissenschaft zugrundeliegenden Erfahrungen und Wahrnehmungen überall, wenn ja, seit wann? Welche anderen Erfahrungen und Wahrnehmungen im Umgang mit Vergangenheit sind denkbar und belegt? Diese Fragen sollen anhand einer Analyse der Grundbegriffe von Gedächtnis, Raum, Zeit, Gruppe, Tradition und Wandel beantwortet werden. Dabei soll der kulturspezifische Wandel der Inhalte dieser Begriffe thematisiert werden: Welche Formen des Gedächtnisses hat es wo gegeben und wie haben sie sich verändert? Welche Begriffe von Raum hat es gegeben und wie haben sie sich verändert? Welche Erfahrungen von Zeit hat es gegeben und wie haben sie sich verändert? Welche Formen der Bildung von Gruppen hat es gegeben und wie haben sie sich verändert? Wie verhalten sich die Begriffe von Geschichte und Tradition zueinander und wie hat sich ihr Verhältnis verändert? Welche Wahrnehmungen des Wandels hat es gegeben und wie haben sie sich verändert? Material zu der Lehrveranstaltung wird in einem Reader aufbereitet, der zugleich eine umfangreiche Bibliografie bietet. Reader und Bibliografie sollen den Vortrag und die Diskussionen im Verlauf der Lehrveranstaltung ergänzen; sie sollen zugleich auch die Grundlage zur selbständigen weiteren Beschäftigung mit den angesprochenen Themen geben, im Besonderen für Vorbereitungen auf das Lehramt. Die Lehrveranstaltung wendet sich an Studierende, die die Grundlagen und Voraussetzungen der Geschichtswissenschaft hinterfragen wollen. Zugleich ist sie gedacht als kritische Einführung in die theoretischen Rahmenbedingungen, die die europäische Geschichtswissenschaft seit mehr als 200 Jahren geprägt haben. |