In einer Epoche, in der Krisen und Katastrophen zum bewusstseinsprägenden Zeitgeistmuster geworden sind, zielt der ästhetische Konsum im überwiegenden Maße auf Weltflucht und, wo er gesteuert wird, auf die möglichst flächendeckende Betäubung des Publikums. Diesen narkotischen Wahrnehmungsmanipulationsmodellen entsprechen diverse ästhetische Praktiken, durch die Weltfluchtformate hergestellt und verbreitet werden. Wir möchten diesen Praktiken nachgehen, sie ab ovo studieren, ihre Formen und Ansprüche diskutieren und sie zum Teil in einem reflektierten Sinne multimedial simulieren.
Ziel dieses Projekts ist die Inangriffnahme eines "Multimedialen Atlas der Weltflucht". Das Betäubungsmodell, das uns heute am meisten bedrängt, ist an den digitalen Totalismus der Tech-Konzerne gekoppelt, die die Welt in einen gerätegebundenen Konsumtaumel gestürzt haben und die Bewusstseinsformen in weiten Teilen nahezu komplett beherrschen. Aber das kann uns nicht paralysieren, und wir bleiben nicht dabei stehen. Wir versuchen, unsere intellektuellen Instrumente neu zu justieren. Denn wir schauen auch zurück und von dort nach vorn, um zu erforschen, welche eskapistischen Praktiken sich bis heute erhalten haben und an welchen wir selbst (immer noch) partizipieren. Folgende Formate stehen im Angebot:
1. Ideenwelten (Reenactment romantischer Bildhorizonte) 2. Rauschformate (z.B. Reenactment der Berliner Salonkultur um Przybyszewski & Co.) 3. Mystische und neomystische Entrückung 4. Philosophische Projektionen (Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung) 5. Idyllen (Matsu Bashô: Die Klause der Illusionen. Mainz 2023) 6. Fantasy 7. Digitaler Totalismus (KI als Betäubung und Ausschaltung individueller kreativer Impulse)
Wir werden aus dieser (erweiterbaren) Auswahl zu Projektbeginn einige Formate gemeinsam auswählen, mit denen wir uns in der Folge näher beschäftigen. Diese Formate sollen zu den Basismaterialien für den "Multimedialen Atlas der Weltflucht" gehören.
Arbeitsweisen:
- Lektüren und Diskussionen im Plenum - Einteilung in Arbeitsgruppen mit unterschiedlichen Formatausrichtungen - Reenactment, szenische Lesung, Live-Hörspiel, Raum-Installation, Fotografie - Textproduktion (Essay, Erzählung, lyrische Formen)
Diese Arbeitsweisen mögen unterschiedliche Ebenen des "Multimedialen Atlas der Weltfluchten" vorbereiten und auch schon ausfüllen. Performatives Ziel ist eine szenische Aufführung der Ergebnisse durch Spiel, Lesung, Installationen und Ausstellung am Semesterende. |