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PINK NOISE Etüden des Verlernens, Vergessens und Verrauschens
Leitung: Matthias Rebstock plus Gäste für Workshops
Um was geht’s? Pink Noise ist ein tieferes Rauschen als das bekanntere weiße Rauschen. Es wird in der Audiotechnik benutzt, um andere Geräusche abzudecken bzw. zu überdecken, und es soll auch einen tiefen Schlaf ermöglichen - der auf lange Sicht auch das Erinnerungsvermögen stärkt. Pink Noise wird damit zur Chiffre – und zum sinnlichen Ausgangsmaterial - für die Beziehung zwischen Auflösen von Praktiken / Wissen und (Wieder-)Erinnerung. Wir werden uns in diesem Projekt also mit Kulturtechniken des Verlernens, Vergessens und Verschwindens beschäftigen und alles in einen klanglich-performativen Rausch aufgehen lassen.
Das Verlernen (oder des „undoing“) ist in den letzten Jahren in besonderem Maß in den Fokus kulturwissenschaftlicher Debatten gekommen, insbesondere im Kontext posthumanistischer, gendertheoretischer und postkolonialer Diskurse. Das Verlernen wird hier zu einer Übung oder Technik, aktiv anthropozentrische, patriarchale oder koloniale Weltsichten, Mind Sets und Handlungsweisen zu überwinden. Es geht dabei darum, durch das Ver-Lernen, grundlegende Annahmen, Dichotomien, Gewohnheiten, (Körper-)Praktiken und Einstellungen zu befragen und so letztlich Platz für neue zu schaffen. Konkreter Ausgangspunkt wird hier der kurze Text über die „Carrier bag theory“ der feministischen Science Fiction Autorin Ursula K. LeGuin sein: https://otherfutures.nl/uploads/documents/le-guin-the-carrier-bag-theory-of-fiction.pdf Geht es hier um eine emanzipatorische Qualität des Undoings, werden wir uns auch mit der Gegenseite beschäftigen: mit „Formen des Vergessens“ (Aleida Assmann) als aktivem Vergessenmachen im Sinne von Unterdrückung und Verdrängung „unerwünschter“ kultureller Praktiken (z.B. von Sprachen, Liedern oder Ritualen)
Wie werden wir uns künstlerisch dem Thema nähern? Wie ist der Bezug zu Musik/Sound/Performance? Wir werden die theoretischen und relativ abstrakten Themen von ganz konkreten ästhetischen Versuchsanordnungen und (Selbst-)Erfahrungen aus anzugehen: z.B. als Abtragung von Sinn und Ausdruck von Songs/Musiken durch exzessive Wiederholung, durch Überlagerungen, Schichtungen, durch elektronische Bearbeitungen, durch Übergänge ins Rauschen. Durch Freilegung von Material, das unter den Bedeutungsschichten liegt; „Ausgraben“ und Aufführen vergessener / unterdrückter Lieder; versuchen sich die Dinge fremd zu machen, indem man sich ihrer Funktionalität und Selbstverständlichkeit verweigert etc. Praktisch erproben: Welches Körperwissen tragen wir mit uns, z.B. beim Instrumentalspiel/Singen? Wie kann man das sichtbar machen? Was passiert, wenn wir „umlernen“, wenn etwas „nicht mehr geht“, wenn wir versuchen, nicht darauf zurückzugreifen, wenn wir es mit anderem Wissen aktiv überschreiben? Kann man das ganz alltägliche Vergessen als Vorgang sichtbar/hörbar machen (und nicht nur das Vergessen-Haben oder das, was vergessen wurde?)
Wie werden wir arbeiten? Wir werden kontinuierlich hin- und herpendeln zwischen theoretisch-inhaltlicher Arbeit (Recherchieren, Lesen, Diskutieren; in Kleingruppe und/oder Plenum) und praktischer musikalisch-szenischer Arbeit und versuchen, beides eng aufeinander zu beziehen. Ebenso werden wir dezidiert interdisziplinär arbeiten und versuchen, alle Kunstformen, die Sie bespielen wollen, mit einzubringen und in Beziehung zueinander zu setzen. In der ersten Hälfte des Semesters steht zunächst die Orientierung und Erschließung der konkreten Themen innerhalb der relativ großen oben beschriebenen Themengebiete sowie das praktische Experimentieren mit den unterschiedlichen Materialien im Vordergrund. In der zweiten Hälfte geht es dann zunehmend um Ausarbeitungen, Festlegungen und das Proben der Performance. Für die musikalische Arbeit wird es zusätzlich regelmäßige Workshops geben. Sicher mit im Boot ist der Komponist Michael Emanuel Bauer. Weitere Gäste, besonders für den Bereich Elektronik, Ableton etc. werden dazukommen. Wir arbeiten Mi-Fr 10-17 Uhr, aber nicht immer in Präsenz und in einem Wechsel von Gesamtgruppe und kleineren Teams.
Was soll am Ende entstehen? Die konkrete Form unserer Präsentation muss natürlich im Prozess erst noch gefunden werden. Aber zunächst ist der Plan, dass es auf eine musikalisch-szenische live Performance hinauslaufen soll. Als Teil davon oder als eigenständige Artefakte wären aber auch installative oder filmische Formate oder etwas Hörspielartiges gut denkbar. (Es ließe sich z.B. gut über gezielte Absenzen auf der Bühne arbeiten, also dass Körper oder Stimmen nicht live auf der Bühne, sondern nur medial präsent sind.)
An wen richtet sich das Projekt? Sind Vorkenntnisse erforderlich? Das Projekt wird interdisziplinär arbeiten, hat aber wahrscheinlich schon einen gewissen Schwerpunkt im Bereich Musik und Szene/Performance. Musikalische Vorkenntnisse sind erwünscht aber nicht erforderlich. Für das Thema des Undoings ist es gerade auch interessant, nicht über entsprechende instrumentale Körpertechniken zu verfügen. Voraussetzung ist aber Interesse und Lust am Hören, am sich Einlassen auf experimentelle Klangarbeit und die Bereitschaft, Dinge (Songs, Musiken, Texte, Bilder, Videos etc.) genau auszuarbeiten und zu proben.
Ich freue mich auf Sie! |