Der Begriff der Atmosphäre spielt seit den 1990er-Jahren eine wichtige Rolle in der Ästhetik und der ästhetischen Theorie. Vor allem im deutschsprachigen Raum wurde er durch Hermann Schmitz‘ Phänomenologie der Leiblichkeit und Gernot Böhmes „Neue Ästhetik“ ins Zentrum philosophischer Untersuchungen gestellt.
Atmosphären zeichnen sich durch einen hohen Grad an Unbestimmtheit und Diffusität aus, verteilen sich als vage ergossene Erfahrungsräume über intersubjektiv geteilte Phänomenbereiche und vermitteln als übergreifende Felder zwischen scheinbar gegensätzlichen Polen wie Innen und Außen, Subjekt und Objekt, oder Körper und Geist. Als weder rein mentale noch rein materielle Modalitäten des Erlebens lassen sich Atmosphären vor allem mithilfe des Leibes als Zwischenzone zwischen Kultur und Natur erfahren und gestalten. Sie zeigen sich dabei als Stimmungs- und Resonanzweisen, in denen Körper, Dinge und Räume in komplexe Wechselwirkungen eintreten und geteilte Qualitäten des Erlebens erzeugen. In diesem Sinne regt die Auseinandersetzung mit Atmosphären dazu an, klassische Dualismen zu überwinden und neue Ansätze in der Ontologie, der Erkenntnistheorie und der Ästhetik zu entwickeln.
Das Seminar widmet sich dem Thema aus einer phänomenologischen, ästhetischen und interkulturellen Perspektive. Als Ausgangspunkt dienen zunächst Gernot Böhmes Aufsätze, die anschließend mit Grundbegriffen und Ansätzen aus der ostasiatischen Philosophie und ästhetischen Praxis verknüpft werden. Da es sich bei Atmosphären um konkret-leiblich erfahrene Phänomenkomplexe handelt, werden wir uns darüber hinaus mit der Atmosphäre des Seminarkontextes selbst auseinandersetzen. |