"Wir denken nicht in Worten, sondern in Schatten von Worten", schreibt Vladimir Nabokov in Eigensinnige Ansichten. Ist damit die "innere Sprache" gemeint, die beim Schreiben und Übersetzen im Spiel ist? Und was für eine "Stimme" wird damit im literarischen Text erzeugt?
Waren für Herder, Schlegel, Wieland oder Novalis Melodie, Ton und Rhythmus noch die universale Sprache der Menschheit und war die suggestive Kraft eines Textes noch vor jedem Inhalt von dessen Rhetorik geprägt, so las man später kaum noch von der „schriftlichen Stimme“ von Autor*innen, die durch die innere Stimme von Leser*innen wiederbelebt wird. Doch das ändert sich. Ausgehend von Ergebnissen des Projekts writersinnervoices.com und jüngeren neurologischen Forschungen kann man behaupten: Texte entstehen durch Stimmenhören und finden ihre Form in der Verschriftlichung und gezielten Steuerung dieser Stimmen.
Das literarische Übersetzen verbindet ein solches Stimmenhören und -verleihen. Doch woran "erkennt" man eine literarische Stimme? Und wie gestaltet man sie? Wann ist sie "stimmig"? Antworten auf solche Fragen findet man z.B. durch Übersetzungsvergleiche. Eigene Übersetzungen desselben Textes (Ausgangssprache Englisch oder Französisch) sollen uns Material für die Recherche liefern. Unsere Ergebnisse wollen wir mit dem Initiator des Voice-Projekts, Charles Fernyhough, diskutieren.
Dieses Seminar richtet sich an Studierende aller Fachrichtungen, die sich mit der Produktion und Rezeption von Literatur beschäftigen und sich im Literaturübersetzen ausprobieren wollen. |