Lerninhalte |
Hinterhältigkeit gilt als widerwärtig und böse und wird daher breit geächtet. Ihr hässliches Gesicht erlangt sie durch einen Normbruch: Sie besitzt das Potential, die vielleicht zentralste Ressource des Sozialen zu untergraben: das Vertrauen. Diesen Gegenhorizont deutlich zu konturieren, wird die erste Aufgabe des Seminars sein. Dennoch bleiben an der Hinterhältigkeit noch Dimensionen ungeklärt. Wo beispielsweise beginnt sie überhaupt? Ist sie bereits die kleine Flunkerei und das taktische Vorgehen, oder erst die Unredlichkeit, die verdeckte Absicht, der Betrug und Vertragsbruch? Wie sollen demgegenüber gängige Ideale, wie das ‚Spiel mit offenen Karten‘ oder das ‚Gesicht-zeigen‘ zweifelsfrei und mit transparenten Handlungszügen identifizierbar sein? Und: Treffen wir bei der Beobachtung von Handlungsverläufen immer auf intendierte H. (die dem charakterlosen Menschen zugeschrieben wird), oder gibt es sie auch in der absichtsfreien Variante (eine, die ‚passiert‘ ist)?
Anhand der Sammlung und des Vergleichs vorfindbarer Alltagsformen der H. besteht die zweite Aufgabe des Kurses darin, sie als Form sozialen Handelns zu begreifen und nicht etwa als Individualpathologie. Das Feld der Kultur berührt das Thema aus verschiedenen Gründen: Das Sprechen über Hinterhältigkeit ist normativ aufgeladen und bisweilen nicht frei von Affekten. Aber Reaktionen wie etwa Empörung oder spontane Anklage können ebenso Wege dazu sein, nicht stets reflexiv verfügbare Überzeugungen zu sondieren, wo das Schändliche und demgegenüber das Richtige und Gute liegen soll. Daher müssen sich auch die Beobachtenden der H. (zum Beispiel ein Seminar zu diesem Thema) auf ihren Beobachtungsradar hin befragen lassen können. Und nicht zuletzt ist es der H. ein Anliegen, nicht enttarnt zu werden, sondern ein geschicktes (perfides) Spiel der Verschleierung zu betreiben. Dazu wendet sie kulturell verfügbare Machttechniken an und sowohl legitime Ästhetiken, die bis dahin reichen können, sie im Auge des Publikums sogar als ihr Gegenteil erscheinen zu lassen ('nur die besten Motive', 'die von außen erzwungene Lage', 'Hinterhältigkeit als Coolness, oder auch: Gerissenheit' etc.).
Es mag an ihrer Verwerflichkeit liegen, die jedem positiven Verhalten widerspricht, dass die H. bislang wenig in das kultursoziologische Blickfeld gerückt ist; in jüngerer Zeit sind jedoch aufschlussreiche Arbeiten erschienen. |