Universität ist einer der wichtigsten Orte, an denen Wissen gewonnen, verwaltet, vermittelt wird. Der Körper ist nicht nur Gegenstand der Wissensgewinnung wie in der Medizin oder Neurowissenschaft, sondern er ist Medium des Wissens. Wir generieren Wissen, verwalten und vermitteln Wissen durch, mit und als Körper.
Verändert Wissen Körper? Braucht es einen bestimmten Körper, um an der Gemeinschaft der Wissenden und Wissenwollenden zu partizipieren?
Aby Warburg prägte zu Beginn des letzten Jahrhunderts den Begriff der „Pathosformel“, der in der Kunst-, Literatur- und Tanzwissenschaft vielfach verwendet und als Gebärdenarchiv und Bildspeicher verstanden wurde. Gibt es ein Archiv der Gebärden und Körperbilder, also der Pathosformeln, für akademische Körper? Ist eine dieser Pathosformeln der Blick und Gestus des Immer schon Wissenden, eine andere die des distanzierten Beobachters, der seinen Abstand zur Welt inkorporiert hat? Die Auseinandersetzung mit historischen Bilddokumenten kann bei diesen Fragen weiterhelfen.
Für die Gegenwart und Zukunft stellt sich die Frage: Ändern sich Pathosformeln, wenn sich der Kreis derer, die zum Wissen zugelassen wurden und werden, sich verändert? Hat die Zulassung von Frauen zum Ort des Wissens Auswirkungen auf Pathosformeln des Wissens gehabt? Welche Arbeit an den Pathosformeln ist nötig, um den Ort des Wissens zu diversifizieren?
Das Projekt ist eine rekonstruktive und dekonstruktive Arbeit an Pathosformeln des Wissens. Dies erfordert mindestens drei verschiedene Zugänge, einen a) theoretischen, einen b) feldforschenden und einen c) performativen.
Wir kombinieren im Projekt a) Arbeit an der theoretischen Figur der Pathosformel und ihrem Verhältnis zu ähnlichen Konzepten wie dem des Habitus (Bourdieu), b) Forschung im Feld lebendiger Pathosformeln wie auf Tagungen, Konferenzen, in Lehrsituationen c) Pathosformeln des Wissens werden von akademischen Körpern performiert und müssen deshalb auch im Projekt performativ rekonstruiert und dekonstruiert werden. Als Beitrag zum abschließenden Projektsemester-Festival ist eine Pathos-Formel-Performance vorstellbar, in die Einsichten aus der theoretischen und feldforschenden Arbeit mit einfließen.
Wir hoffen, dass uns die Gefährdungslage im April 2021 und die Hygienekonzepte der Universität erlauben werden, möglichst viel der gemeinsamen Projektarbeit in Präsenz stattfinden zu lassen, was aufgrund der kleinen Gruppengröße (maximal 10 Teilnehmer_innen) möglich sein sollte. Auch wird es digitale Sequenzen geben, doch gerade das Nachdenken über und Arbeiten mit Pathosformeln braucht unsere gemeinsame Körperlichkeit in Präsenz.
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