Im Jahr 1954 formulierte Maxim Gorki: „Der sozialistische Staat kann nicht Wirklichkeit werden, wenn die Kinder keine Sozialisten sind.“ In diesem Sinne war die Erziehung zur sozialistischen Persönlichkeit gemeinhin oberstes Ziel der Bildung von Kindern in der DDR, wie sie seit Ende der 1950er Jahre in dem einheitlichen Bildungssystem (von der Krippe bis zur Hochschule) versucht wurde umzusetzen. Vor diesem Hintergrund wurde auch das Lesen von Kindern und Jugendlichen staatlich reguliert, besonders gefördert als auch honoriert. Damit kommt auch den Kinderbüchern der DDR im Rahmen kultureller Bildung ein besonderer Stellenwert zu.
Dass Kinderliteratur nach der Wiedervereinigung zunächst einem Ideologieverdacht unterlag und unter der Brille politischer Indoktrination betrachtet wurde, ist demnach wenig verwunderlich. Im Seminar steht zur Frage, wie Kinder und Kindheit in Kinderliteratur der DDR entworfen wurde, wie sich also ein sozialistischer Anspruch in Kinderbüchern dokumentiert: Lässt sich eine Erziehung zur sozialistischen Persönlichkeit in Kinderbüchern erkennen? Wie werden Kinder als Akteure entworfen? Welches Wissen wird in den Kinderbüchern bezogen auf kindliche Agency und Generationen- sowie Geschlechterverhältnisse erkennbar?
Um diesen Fragen nachzugehen werden wir uns mit ausgewählten Kinderbüchern der DDR beschäftigen, wobei der Fokus in der Analyse nicht nur auf den erzählten Geschichten, d.h. dem Text in Kinderbüchern liegt, sondern gleichermaßen werden wir uns den Illustrationen und den darin enthaltenen bildlichen Narrativen widmen.
Nicht zuletzt wird auch zu fragen sein, inwiefern sich möglicherweise Brüche, Widersprüchlichkeiten oder Irritationen bezogen auf den formulierten sozialistischen Anspruch zeigen. |