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In diesem Seminar widmen wir uns der Frage, wie Dichtung als gemeinschaftliche Praxis jenseits des Literaturmarkts erlebbar werden kann. Es entspringt dem tief empfundenen Begehren der Seminarleiter*in nach unveröffentlichter und inoffizieller Literatur, nach Geburtstagsgedichten, Zines in winziger Auflage und albern sich aufbauschenden Insider-Sprachwitzen. Steht in Schreibwerkstätten inhaltlich häufig das Textobjekt oder -produkt im Vordergrund, die spezifische Verschaltung von "was?" und "wie?", Inhalt und Form, wollen wir uns den sozialen Kontexten widmen, für, mit und in denen gedichtet wird. Wie entsteht Dichtung aus Geselligkeit – und Geselligkeit durch Dichtung? Neben kollektiven Sprach- & Schreib-, Frage- & Antwortspielen, Akrosticha und Anagrammen, Translations- und Transkriptionsprozessen, poetologischen Streitgesprächen und Mail Art soll es dabei auch um die Erzeugung variabler Schichten öffentlicher und privater Kommunikation sowie die Infragestellung dessen gehen, was gemeinhin als "Publikation" gilt. Welche Formen der Geselligkeit und des Politischen verbergen sich gerade dort, wo der Text noch nicht in einen abgeschlossenen und "druckreifen" Status übergegangen ist?
Das Format des Blockseminars lädt dazu ein, poetische Geselligkeit sowohl während unserer Treffen im geteilten Raum zu erproben, als auch nach Strategien zu suchen, sie über den zeitlichen, örtlichen, aber auch den institutionell festgelegten personellen und sozialen Rahmen des Seminars (Seminarteilnehmende, Hochschulstudierende der Universität Hildesheim usw.) hinaus fortzuspinnen.
Eine vorläufige Materialliste für das Seminar könnte z.B. beinhalten (wird noch genauer im Seminar besprochen): Pieter Bruegel d. Ä: Die niederländischen Sprichwörter (1559); Alfred Liede: Dichtung als Spiel. Studien zur Unsinnspoesie und den Grenzen der Sprache. Berlin 1963; Zoe Darsee & Elise Houcek: From the Pocket of Agent Dickinson. Lawrence 2025 & Tea Pushers Only (Work in Progress); Alex Martinis Roe: To Become Two. Propositions for Feminist Collective Practice. Berlin 2018; Paul Kother: Schreibende Arbeiter – Fließband, Stift und Schreibmaschine. (WDR 3 Kulturfeature vom 28.12.2023); Cutt Press’ Poetry-Newsletter Vortext & Night Sheyds’ Poetry-Zine und -Tour; Oskar Pastior: Gewichtete Gedichte. Chronologie der Materialien. Hrsg. von Oswald Egger. Wien/Hombroich 2006; Heiner Boehncke, Bernd Kuhne: Anstiftung zur Poesie. Oulipo – Theorie und Praxis der Werktstatt für potentielle Literatur. Bremen 1993; die Armengenossenschaft (Blog) der Engeler Verlage; Matthias Aberle/Bert Papenfuß: Poesie des Untergrunds. Prenzlauer Berg kontrovers 1976-1990 (2009), Dokumentarfilm. |