Lerninhalte |
Institutionen haben ihre Macht wesentlich dadurch, dass sie Körper auswechseln und selbst erhalten bleiben. Die*der Einzelne scheint ihnen gegenüber immer schon in der schwächeren Position: Sie*er konkurriert mit anderen darum, auf eine Arbeitsstelle berufen zu werden, dort die Stellung zu halten und nicht vor der Zeit ausgewechselt zu werden. Kooperation, Vernetzung, mitunter auch korrupte Verfilzung sollen dabei helfen, sich unentbehrlich zu machen, aber ein unablässiger Kampf gegen die Drohung des Ersetztwerdens kompromittiert sowohl die eigene Entwicklung als auch das Miteinander in Arbeitsbeziehungen. In dem Seminar wollen wir uns daher Optionen von Ermächtigung durch Bejahung von Ersetzbarkeit in künstlerischen Arbeitsweisen und künstlerischen Arbeiten anschauen. Anhand von Problemen des Castings und Besetzens (Marina Abramovics MOCA-Galaperformance, Takuya Murakawas Everett Ghost Lines) werden wir untersuchen, wie Performance Art und Theater mit ihren jeweils unterschiedlichen Ästhetiken der (Un-)Ersetzbarkeit performende Körper entmachten oder emanzipieren können. Partizipative Kunstformate wie Tino Sehgals This Progress, bei denen intime Zuwendung und Serienbetrieb sich verbinden, sollen bzgl. ihrer Affinitäten zu Care-Arbeit und zu postfordistischer Service-Ökonomie befragt werden. Am Beispiel von Reenactments (Jeremy Dellers Battle of Orgreave, Gob Squads Kitchen) wird es um ein politisches Ermächtigungspotenzial von ‚entfremdeten‘ Situationen gehen, in denen man nicht die eigene Sache, sondern die von anderen verkörpert. Bertolt Brechts Lehrstück-Konzept als Entwurf einer theatralen Praxis, um Ersetzbarkeit zu üben, und die Keuner-Geschichte vom unentbehrlichen Beamten – dazu politische Theorie wie die Claude Leforts oder David van Reybroucks Against Elections – können als Ansatzpunkt für Fragen nach dem Verhältnis von künstlerischer Ästhetik und Demokratie dienen: Wie ‚direkt‘ oder ‚indirekt‘ kann bzw. soll Demokratie sein, und welche Verhältnisse zwischen den Menschen und den Institutionen braucht es dafür? Und schließlich lässt sich an einer außergewöhnlichen Arbeit wie Péter Halász Funeral Performance, bei der der krebskranke Künstler kurz vor dem Tod seine eigene Trauerfeier inszenierte, über die Paradoxien von Trauerarbeit nachdenken, die einen verstorbenen Menschen zugleich als unersetzbar würdigen und die praktischen Ersetzungen des Weiterlebens ermöglichen soll. |