„Vor allem, daß man schone Der Wildnis, göttlich gebaut Im reinen Gesetz.“
Hölderlin
„Alles Gute ist wild und frei.“
Thoreau
Die europäische Philosophie thematisierte die Wildnis lange Zeit nur als etwas, das es zu überwinden, zu zivilisieren und zu kultivieren gilt. Auch Philosoph*innen beteiligten sich (und beteiligen sich teilweise bis heute) an einem Kampf um Klarheit und Ordnung, der sich vor allem gegen das Wilde und die Wilden richtet.
In dem Maße, in dem gesellschaftliche Modernisierung, Urbanisierung und Industrialisierung die letzten Reste einer wirklichen Wildnis aus unseren Landschaften verdrängt haben, wird die Wildnis von Philosoph*innen allerdings auch als Ort der Sehnsucht und des Widerstands gegen das neuzeitliche Projekt der Naturbeherrschung wiederentdeckt. Seit Rousseau und den Romantikern wird erkannt, dass sich das Projekt der neuzeitlichen Naturbeherrschung zunehmend gegen den Menschen selbst richtet. Damit beginnt die Tradition eines genuin philosophischen Nature-Writings oder Wildnis-Denkens.
Im Seminar folgen wir den Spuren einer besonders einflussreichen amerikanischen Tradition des Wildnis-Denkens, die von Henry D. Thoreau über Aldo Leopold bis zu Gary Snyder reicht.
Seit Thoreau werden Formen des Gehens in die Wildnis als philosophische Praxisform praktiziert, die sich mit einer civil disobedience verbindet, einem Widerstand gegen ein Leben unter dem Joch von politischer Herrschaft, Erwerbsarbeit und sozialer Kontrolle. Im Seminar lesen wir Schlüsseltexte der amerikanischen Philosophie der Wildnis, entwickeln und erkunden darüber hinaus aber auch mögliche philosophische Praxis-Formate, die uns einer Wildnis näherbringen können, sie in uns selbst realisieren lassen.
Das Seminar richtet sich an fortgeschrittene BA-Studierende, Masterstudierende und DoktorandInnen des Instituts für Philosophie.
Zu Beginn des Sommersemesters findet eine verbindliche Vorbesprechung statt. Der Termin wird noch bekanntgegegeben.
Vorläufiges Programm
Donnertag, 04.05.23
09:00 Anreise
10:00, Begrüßung und Einführung ins Thema
11:00 – 12:30, Aldo Leopold, Ethik des Landes, Arbeitsgruppen
14:00 – 15:30, Präsentation der Ergebnisse der Arbeitsgruppen
16:00 – 17:30, „Die Neue Wildnis”, Führung durch einen Mitarbeiter des Nationalparks Harz mit Schwerpunk regionale Folgen und regionale Verantwortung für die Entwicklung des Klimawandels
Freitag, 05.05.2023
09:00 – 10:30, Henry David Thoreau, „Walden oder Leben in den Wäldern”, 1. Kapitel, „Genügsamkeit“
11:00 – 12:30, Ursprüngen der Ökologiebewegung und Tendenzen des Postwachstums im 19. Jahrhundert
14:00 – 15:30, Henry D. Thoreau, Vom Wandern, Arbeitsgruppen
16:00 – 17:30 Übung Gehmeditation
19:00 – 21:00 Die gesellschaftliche Kraft des zivilen Ungehorsams: Film und Diskussion “Into the Wild” (2007)
Samstag, 06.05.2023
09:00 – 10:30, Gary Snyder, „Lektionen der Wildnis”
11:00 – 12:30, Gary Snyder „Gut, wild, heilig“ und „Auf dem Pfad, aus der Spur“
14:00 – 16:00, (heilige) Orte der Wildnis
19:00 – 20:00, Abschluss und Reflexion des
20:00 – 21:30, Besuch der Sternwarte St. Andreasberg am dunkelsten Ort Norddeutschlands
Sonntag, 07.05.2023
09:00 Abreise
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