Beschreibung
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Projektthematik:
Als eine besonders signifikante Gattung griechischer Kunst darf die attische Vasenmalereigelten, von der zur Zeit annähernd 40.000 schwarzfigurige und 50.000 rotfigurige Vasenund Fragmente bekannt sind. Davon sind fast 40 Prozent (11.446 sf. und 11.282 rf. Vasen) im Corpus Vasorum Antiquorum publiziert und liegen digital vor (cvaonline.org), wenn auch in unterschiedlicher Qualität. Die attische Vasenmalerei war von etwa 600 bis 300 v. Chr. bedeutend, wobei der Vielfalt an Motiven und Stilen kaum Grenzen gesetzt waren. Nur selten haben die Vasenproduzenten jedoch ihre Werke mit egraphsen (hat gemalt) oderepoiesen (=hat gemacht) signiert, so dass die Zuordnung zu Malern und Töpfern nicht direktaus eigenhändigen Signaturen hervorgeht. Die lineare Ausführung der Bemalung begünstigt aber die moderne Zuweisung von mehreren Vasenbildern zu einem Maler, eine Vorgehensweise, die in der Klassischen Archäologie etabliert ist, aber wegen ihrermangelnden Nachvollziehbarkeit auch an ihre Grenzen gestoßen ist.
Durch den Einsatz moderner computergestützter Methoden aus der Informatik können nun neue Möglichkeiten zur digitalen Analyse von Vasenbildern und zur automatisierten Attribution von Werken an Vasenmaler entwickelt werden. Weiterhin kann man so die exemplarische und bisweilen intuitive Vorgehensweise von archäologischen Fachleuten nachvollziehen und evaluieren.
Zielsetzung:
In Zusammenarbeit des Institutes für Digital Humanities der Universität Göttingen und der Machine Learning-Gruppe der Universität Hildesheim möchten wir in diesem Projekt digitale Methoden für die Analyse attischer Vasen entwickeln, die dabei helfen, die Genauigkeit einer Malerzuweisung zu erfassen und vor allem in Verbindung mit bestehender Forschung neue Erkenntnisse in diesem Bereich zu erlangen. Daher möchten wir eine datengestützte Stilometrie für attische Vasen entwickeln, die auf multimodalen Darstellungen (Vasenmalerei, verbale Metadaten) und 2D-Keramikprofilen basiert. Weitere Verfahren wie Reflectance Transformation Imaging (RTI) und 3D Scans sollen auf ihre Tauglichkeit hinevaluiert werden (vgl. Trinkl, 2013).
Für die Frage nach der Relevanz der Ähnlichkeitsnetzwerke für konkrete Beziehungen zwischen den Objekten kann der Computereinsatz zudem Impulse liefern, weil man die Art und den Grad der Ähnlichkeiten nachvollziehbar beschreiben kann. Ein weiteres Ziel besteht somit darin, digitale Methoden der Bildklassifikation auf den Prüfstand zu stellen, indem in einem zentralen und intensiv erforschten Bereich der Klassischen Archäologie das Verhältnis von archäologischer Hermeneutik, intuitiver Kennerschaft und datengestützter Objektivierung von Erkenntnis grundsätzlich untersucht wird.
Deshalb werden im Projektvorhaben durch eine enge interdisziplinäre Verschränkungfolgende innovative Fragestellungen untersucht:
- Wie lassen sich die Vasenbilder effizient digital aufbereiten und durch menschliche Experten annotieren?
- Kann ein maschineller Lernalgorithmus die Zuweisung von zwei Vasenbildern zum selben Maler durch menschliche Experten vorhersagen/reproduzieren?
- Welche Eigenschaften des Vasenbildes sind dabei ausschlaggebend und erklärendie Zuweisung der Experten? Decken sich diese mit den archäologischenZuschreibungskriterien?
- Welche Malerzuordnungen durch Experten sind unwahrscheinlich mit Blick auf die ersten drei Fragen und welche Zuordnungen sind wahrscheinlicher?
- Lassen sich die Zuschreibungskriterien systematisieren, ihre Aussagekraft evaluieren und die Bedeutung der Ähnlichkeitsnetzwerke durch genaues Benennen von Kriterien und Argumenten historisch gewichten?
- Kann das verwendete Modell um die Zuweisung zum Töpfer erweitert werden, um damit Kooperationsszenarien zwischen Malern und Töpfern zu begründen?
- Lassen sich diese Verfahren optimieren, wenn für die Vasen andere Dokumentationsformen (RTI, CT, 3D Scans) als die Orthofotografie gewählt werden?
Zusätzlich werden folgende sekundäre Fragestellungen einbezogen, von denen wir annehmen, dass sie mit der Hauptaufgabe zusammenhängen und es somit ermöglichen, eine bessere latente Darstellung für die Vasenmalerei zu lernen:
- Welche Objekte (Figuren und Gegenstände) sind auf einem Vasenbild dargestellt?
- Wo lassen sich diese Objekte finden?
- Wie muss man das Vasenbild textuell beschreiben, um die automatisierte Figurenerkennung sinnvoll zu unterstützen? Wie weit kann computergestützt eine textuelle Beschreibung des Vasenbildes automatisch erfolgen?
- Welcher Ausschnitt hätte in einem fehlenden Bildbereich gezeigt werden können?
- Welche Bildausschnitte stammen von derselben Vase?
Das Vorhaben verfolgt dabei einen Design-Science-Ansatz (Peffers et al. 2007, Hevner et al. 2004), der sich für die Etablierung eines gleichberechtigten interdisziplinären methodischen Vorgehens besonders anbietet. Die iterative technische Entwicklung eines maschinellen Lernverfahrens und gleichzeitige archäologische Evaluation und Analyse dieser Ergebnisse ermöglichen es, einer geisteswissenschaftliche Zielsetzung zu folgen und gleichzeitig Fragestellungen aus der Informatik zu beantworten.
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