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Ein Bild, das kein Foto ist: Als am 10. April 2019 in sechs zeitgleich abgehaltenen Pressekonferenzen das erste wissenschaftliche Bild („first-ever picture of a black hole unveiled“) von einem schwarzen Loch einer globalen Öffentlichkeit präsentiert wurde, stellte sich schnell die Frage, was auf dem Bild eigentlich zu sehen ist. Was bedeuten die Farben? Und wie war es von der Datenerfassung durch ein virtuelles Teleskop (das so genannte "Event Horizon Telescope") zu den Jpegs gekommen, die als Pressebilder sozialmediale Verbreitung finden?
Beschreibungen des rötlichen Energie-Rings als "Schatten" oder "Silhouette" machen das schwarze Loch in der Galaxie M87 zum Objekt und das publizierte Bild zur Fotografie. Wenn hier aber aus Daten von nicht-optischen Wellenlängen ein Bild errechnet wurde, stößt die Beschreibung der zwei-dimensionalen Abbildung offenbar an sprachliche Grenzen. Wie der Astrophysiker Heino Falcke, Vorsitzender des ETH-Wissenschaftsrats, im FAZ-Interview zur Farbwahl anmerkt: „Wenn wir Grün oder Pink gewählt hätten, hätte das Bild vielleicht nicht die Resonanz gefunden.“ Das scheinbar objektive Bild wurde demzufolge auf eine bestimmte Wirkung hin bearbeitet.
Dieses Beispiel soll eines von vielen Bildern aus unseren Newsfeeds sein, deren Wirkung, Errechnung und Verbreitung wir im Rahmen des Blockseminars diskutieren. Dabei geht es um die Frage, wie Computer und Netzwerke heute die visuelle Kultur verändern. Als Blaupause dient ein Essay von Susan Sontag, „Die Bilderwelt“ (1978), den sie mit dem Satz schließt: „Wenn es für die reale Welt eine bessere Möglichkeit geben kann, die Welt der Bilder in sich einzuschließen, dann wird es nicht nur einer Ökologie der realen Dinge bedürfen, sondern auch einer Ökologie der Bilder.“ Wir werden uns mit verschiedenen Konzeptualisierungen digitaler Bilder – errechnetes Bild, Kompositbild, sensorisches Bild, verteiltes Bild, „poor image“ u.a. – beschäftigen.
Ziel des Blockseminars ist es, durch gemeinsame Bildinterpretationen, Übungen in Bildkombinatorik (Bilderreihen, Text-Bild-Montage, Polaroid-Fotoreihe, Insta Story, Collage-Technik) und Textlektüre unsere Bildkompetenz (Visual Literacy) auszubauen und ein kulturwissenschaftliches Verständnis von digitalen Bildern zu erarbeiten. |